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Spielerfinderin Andrea Meyer über Klimapoker

Klimapoker von Bewitched Spiele

Umweltpunkte sammeln

Andrea, ich habe gelesen, du arbeitest im Bundesumweltministerium. Sind aus deiner Erfahrung dort die Grundlagen für dein neues Spiel Klimapoker entstanden?
„Natürlich fließt mein Hauptberuf auch in meine Spieleentwicklungen mit ein, das hat man ja bei Ad Acta 2002 schon gesehen. Allerdings arbeite ich im Bundesumweltministerium zum Thema Erneuerbare Energien, Klimaschutz und internationale Klimaverhandlungen laufen da eher ‚im Hintergrund‘ mit. Ich verfolge aus der Distanz, wann meine Kolleginnen und Kollegen aus diesem Bereich gerade wo was verhandeln.
Meine erste Idee war, eine Art Autoquartett mit Kraftwerken zu machen. Das Problem ist nur, dass man schlecht ein Atomkraftwerk (AKW) mit einer Windenergieanlage (WEA) vergleichen kann, sondern dann eher, was die Leistung betrifft, einen Windpark nehmen müsste. Außerdem ist die Datenlage zu den Umweltfolgen des Kraftwerksbetriebs nicht besonders gut. Und schließlich: Wie gewichte ich die Möglichkeit eines GAUs, also eines größten anzunehmenden Unfalls in einem AKW, gegenüber der Wahrscheinlichkeit, dass eine WEA jemandem auf den Kopf fällt? Über die Recherche nach verwertbaren Zahlen für die Quartett-Idee bin ich dann zunächst auf die Liste der 30 schmutzigsten Kraftwerke in Europa gestoßen. Da aber 30 Karten für ein solches Spiel ein bisschen wenig sind, suchte ich weiter, und fand dann die Studie von Germanwatch zu den Folgen der Klimaveränderung in verschiedenen Ländern. Der Rest der inhaltlichen Seite war dann Fleißarbeit – weitere Zahlen recherchieren, entscheiden, welche Indikatoren und welche Länder ins Spiel aufgenommen werden, wie gerankt wird und so weiter. Ich habe, obwohl ich mich in dem Feld einigermaßen auskenne, einiges dabei gelernt ;-)“

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Um was geht es inhaltlich? Hat das Spiel darüber hinaus eine umweltpolitische Botschaft?
„Das Spiel greift den mit der Verabschiedung der UN-Klimarahmenkonvention in Rio de Janeiro 1992 begonnenen Prozess der internationalen Klimaverhandlungen auf. Der bekannteste Begriff in diesem Zusammenhang ist das ‚Kyoto-Protokoll‘, auch die ‚Anpassung‘ an Klimafolgen ist vielen Leuten inzwischen ein Begriff. Das Spiel basiert auf dem Gedanken, dass sich Länder mit gleichen Interessen zusammentun, um bei den Verhandlungen ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Die gleichen Interessen werden im Spiel durch ähnlich hohe Werte in den Kategorien ‚CO2-Ausstoß pro Kopf‘, ‚Todesopfer infolge des Klimawandels‘ und ‚Unwetterschäden‘ abgebildet. Dabei ist es für das Spiel erstmal egal, was genau die gleichen Interessen sind – das bleibt der Fantasie der Spieler überlassen.
Die Hauptbotschaft von Klimapoker ist ganz im Sinne der Fußball-WM 2006: ‚Was wir allein nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen!‘ Bei den Klimaverhandlungen geht es darum, alle mitzunehmen und gemeinsam Abkommen zu beschließen, so wie es in Kyoto erstmals gelang. In diesem Jahr soll in Kopenhagen ein Nachfolgeabkommen beschlossen werden. Das ist ein unendlich langsamer, oft mühsamer Prozess, weil alle Regierungen sich gegenseitig beäugen, wer denn jetzt wieder welchen Vorteil beansprucht und bekommt. Da kämpfen die Erdöl exportierenden Länder gegen die kleinen Inselstaaten, die den Klimawandel schon jetzt zu spüren bekommen. Und die verschiedenen Wirtschaftsregionen agieren natürlich auch nicht im luftleeren Raum, sondern bekommen von der heimischen Industrie einigen Druck, bloß nicht zu viel zuzugestehen.
Klimapoker zeigt, welche Länder besonders viel Kohlendioxid emittieren, und wer schon jetzt unter den Klimafolgen leidet. Das kann Diskussionen anstoßen, verschafft aber vor allem Aha-Erlebnisse. Ich zum Beispiel habe nicht gewusst, dass Venezuela in der OPEC ist und dass die Mongolei vergleichsweise hohe CO2-Emission hat. Dennoch handelt es sich nicht um ein Wissensspiel – das ist mir sehr wichtig. Man kann Klimapoker auch hervorragend spielen und gewinnen, ohne sich in diesem Bereich auszukennen. Es ist allerdings nicht zu vermeiden, dass man anschließend ein bisschen mehr über Geographie und Klimawandel weiß ;-)“

Mit welchen Hauptmechanismen versuchst du dieses Thema ins Spiel zu integrieren? Was macht den Reiz einer Partie Klimapoker aus?
Klimapoker kombiniert Elemente von Autoquartett und Rommé, ergänzt um einen Tipp-Mechanismus und Handkartenmanagement. Das hat den Charme, dass die Einstiegsschwelle relativ niedrig ist, weil die Spieler bekannte Mechanismen wieder erkennen. Der Reiz liegt zum einen im Timing – wie lange sammle ich Länderkarten, wann fange ich an, meinen Kartenstapel wieder abzubauen? Will ich am Ende einen der Boni bekommen? Oder sammle ich, was das Zeug hält? Zum anderen geht es darum abzuschätzen, ob jemand anderes gerade versucht, das Spiel zu beenden. Dem- oder derjenigen kann man dann gerne mal bei einer Herausforderung eine schlechtere Karte ’schenken‘, um selbst noch Gelegenheit zu haben, Punkte zu sammeln.
Der Spielreiz liegt im Dilemma und der Herausforderung, das Timing in den Griff zu bekommen: Wage ich es, noch mehr Karten zu sammeln und auf die Hand zu nehmen, um größere Konferenzen zu bilden? Oder besteht die Gefahr, dass jemand schnell Schluss macht, wenn er nicht jetzt sofort eine Herausforderung gewinnt?“

Für welche Spielergruppen ist deiner Meinung nach das Spiel geeignet? Spricht es alle gleichermaßen an?
„Ich glaube, dass kaum ein Spiel, das neu herauskommt, alle gleichermaßen anspricht. Klimapoker richtet sich natürlich – wie viele andere Spiele auch – erstmal an die berühmte breite Öffentlichkeit. Es ist dabei besonders interessant sowohl für Kartenspielerinnen und -spieler als auch für Leute, die ein pädagogisches und/oder umweltpolitisches Interesse haben. Je nach Hintergrund der Spielerinnen und Spieler entwickeln sich über das Spiel sehr interessante Debatten. Es kommt aber auch zu Kooperationen, die dem eigentlichen Spielzweck, in Konkurrenz Punkte zu sammeln, widersprechen. So habe ich Runden erlebt, wo plötzlich alle gemeinsam rätselten, welche Klimafolgen wohl in Togo bereits zu spüren sind, obwohl nur ein Spieler von der richtigen Lösung profitiert. Das gefällt mir gut, ich mag es, wenn meine Spiele Prozesse am Spieltisch auslösen, die mit dem Spiel im engeren Sinne nichts mehr zu tun haben.
Ich empfehle Klimapoker ab zwölf Jahren, nachdem ich es mit einigen Zehnjährigen gespielt habe. Die haben den Mechanismus verstanden, und konnten auch mitspielen, aber es fehlte ihnen doch noch an Verständnis für die Hintergründe. Das schließt natürlich nicht aus, dass einzelne Zehnjährige das Spiel bereits beherrschen. Die beste Spielerzahl für Klimapoker ist meiner Meinung nach drei. Zu viert ist das Spiel zwar auch spannend, aber recht schnell. Zu zweit kann es sich wie Autoquartett etwas hinziehen, das vor allem, wenn beide Spieler ‚mauern‘ und darauf spielen, unbedingt die wenigsten Chips übrig zu behalten.“

Worauf sollten Spieler insbesondere in der ersten Partie achten? Gibt es einen Tipp der Autorin?
„Man sollte möglichst vermeiden, bestehende Gruppen auf der Hand auseinander zu reißen. Je mehr Spieler dabei sind, umso wichtiger ist es, in jeder Runde eine Konferenz auszuspielen. Wenn ein anderer Spieler eine vermutlich sehr gute Karte gespielt hat, kann man auch mal ‚Schrott‘ spielen. So ist es sehr beliebt, Kanada oder die USA über den Tisch zu schieben.“

Welche Auflage wird das Spiel haben? Hast du in Essen ausreichend Exemplare dabei oder sollten interessierte Messebesucher das Spiel bei dir vorbestellen?
„Ich habe in Essen genügend Exemplare dabei, sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache. Insofern ist eine Vorbestellung nicht notwendig. Wer das Spiel ausprobieren und/oder kaufen möchte, kommt einfach am Stand 11-65 vorbei.“

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