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Bericht zur Spiel ’06 in Essen

Die Säulen der Erde von

Akzente sorgen für Lichtblicke

730 Aussteller aus 31 Ländern sorgten vom 19. bis 22. Oktober 2006 dafür, dass die Spiel ’06, die Internationalen Spielertage, wieder zu einem Erlebnis für Freunde der Brett-, Karten- und Rollenspiele sowie Tabletop- und Sammelkartensysteme und natürlich Comics wurde. Mit den vielen Verlagen und Aktionen, zu denen unter anderem jede Menge Meisterschaften gehörten, bot sich den Besucherinnen und Besuchern eine breite Vielfalt von Bekanntem und wie schon letztes Jahr rund 350 Neuheiten.

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Die Besucherzahl blieb ganz offensichtlich an den ersten beiden Messetagen hinter denen der letzten Jahre zurück, denn so leere Gänge und Hallen hatte es auf der Spiel länger nicht gegeben. Ganz anders das Bild am Messesamstag, als in einigen Hallen fast kein Vorankommen mehr möglich war. Mit offiziell angegebenen, aber unter der Hand von einigen Fachleuten bezweifelten 151.000 Besuchern war die Spiel sogar besser besucht als im Vorjahr. Grund für diese ungewohnte Verteilung des Besucherzuspruchs ist, dass die Spiel dieses Jahr erstmals wieder außerhalb der Herbstferien von Nordrhein-Westfalen stattfand. So fehlten besonders die jungen Spielebegeisterten an den ersten beiden Tagen – sehr zum Leidwesen der Aussteller. Betroffen waren speziell Händler und kleine Verlage, aber auch größere Aussteller zeigten sich wenig begeistert von der Terminplanung. Dominique Metzler vom Merz-Verlag, der die Messe veranstaltet, erklärte Reich der Spiele gegenüber: „Die Termine für die Spiel sind etwa acht Jahre im Voraus terminiert, die Schulferien aber nur vier bis fünf Jahre.“ Zudem müsse sich der Merz-Verlag mit der Messe Essen abstimmen und vermeide im Interesse einer Reihe von Verlagen eine Terminkollision mit der Frankfurter Buchmesse.

Neu war für viele Verlage, dass die Groß- und Einzelhändler erstmals in großer Zahl auf der Messe vertreten waren. So konnten die schwachen ersten beide Tage zumindest durch gute Geschäfte mit dem Fachhandel ausgeglichen werden. Und das ist bitter nötig. Zwar hat der Bereich der Gesellschaftsspiele und Puzzles in den ersten acht Monaten 2006 innerhalb des Segments der Spielwaren seinen Anteil auf 17,8 Prozent ausbauen können, dessen Gesamtumsatz ist jedoch um 3,4 Prozent zurückgegangen. Erfreulich ist nach Aussagen von Ernst Pohle, Sprecher der Fachgruppe Spiel, jedoch die Entwicklung der Erwachsenenspiele, die nach mäßigen Jahren um 3,3 Prozent zulegen konnte.

Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass in Essen wenig Neues aus dem Kinderspielbereich gezeigt wurde. Haba und Selecta, letztere leider nicht mit eigenem Stand vertreten, begeistern die jungen Spielerinnen und Spieler wie eh und je mit neuen Spielen. Aber weder Kosmos noch Ravensburger haben Frisches für Kinder geboten, was zum Teil an der bereits Anfang des Jahres in Nürnberg vorgestellten Menge liegen mag. Da fiel der österreichische Verlag Piatnik auf, der unter anderem mit dem witzigen Frog Tennis und Der magische Finger gezielt junges Publikum anspricht. Huch and Friends zeigte unter anderem Urmel aus dem Eis und der kleine Verlag Clicker Spiele, der bisher nicht gerade für Kinderspiele bekannt war, ließ mit dem optisch schönen Fliegen naschen aufhorchen.

Der Trend, dass Elektronik in Spiele integriert wird, hält an. Ob DVD-Spiele wie bei Hasbro und Amigo Spiele oder Sprachausgaben – der Trend der letzten Jahre wird fortgesetzt, bietet aber noch reichlich Luft nach oben. Ein sehr interessantes Projekt verfolgen Public Solution und Amigo, die gemeinsam elektronisch gesteuerte Spielabläufe entwickeln. Diese so genannten Hybridspiele erfordern zusätzliche Media-Komponenten wie Bildschirme oder Lautsprecher und waren auf der Spiel als noch in Entwicklung befindliche Prototypen zu sehen. Schatztaucher von Schmidt Spiele ist ebenfalls bemerkenswert, da im Spiel mit UV-Licht bestimmte Muster auf Plättchen sichtbar gemacht werden.

Richtige innovative Spielmechanismen hat man in Essen dagegen fast vergeblich gesucht. Lediglich Space Dealer von Eggert Spiele reizt durch einen durch Sanduhren gesteuerten Zeitmechanismus, der gleichzeitiges Handeln aller Spieler ermöglicht. Sowohl einzelne Aktionen als auch die Spiellänge sind zeitlich exakt vorgegeben. Ein Tipp in der doch arg konservativen Landschaft bekannter Spielmechanismen.

Viel Wirbel veranstaltet der Verlag Days Of Wonder um sein neues Spiel BattleLore. Mit einem empfohlenen Verkaufspreis von 70 Euro kein billiges Vergnügen. Jedoch ist die Schachtel randvoll mit Miniaturen und anderem Material gefüllt. Der Mechanismus lehnt sich zwar an Memoir 44 an, soll aber  eigenständig und mit vielen innovativen Elementen gespickt sein. Das Grundspiel verspricht mit verschiedenen Szenarien sehr langen Spielspaß. Nach und nach sind verschiedene Erweiterungen und Zusatzfiguren zu erwarten. Als Zielgruppe wird eine breite, aber ebenso heterogene Käuferschicht der Bereiche Gesellschaftsspiel, Fantasy und Tabletop angesprochen.

„Hypes“ gibt es auch von Kleinverlagen zu vermelden. So schafften es die schottischen Brüder Lamont von Fragor wieder einmal, ihr neues Spiel bereits weit vor der Messe durch Vorbestellungen auszuverkaufen. Nur hatten sie diesmal nicht wenige hundert Exemplare angefertigt wie zuletzt bei Shear Panic, das bei Zoch als Haste Bock vorgestellt wurde. Ganze 1.000 Spiele ihres Hameln waren restlos vergriffen. Ähnlich gut klappte der Abverkauf von Khronos des neuen französischen Verlages Metagot. Vorab wurden verschiedene Zeitebenen im Spiel angekündigt und mit einem großartigen Teaser-Film im Internet die Fans heiß gemacht. Zu einer festen Größe bei den Kleinverlagen haben sich die Italiener von Mind The Move entwickelt. Nach Fantasy-Pub, Oltre Mare und Il Principe, von denen die letztgenannten anschließend bei Amigo veröffentlicht wurden, legten sie mit Hermagor erneut ein sehr viel versprechendes Spiel vor, das besonders „Freaks“ ansprechen dürfte.

Überhaupt stoßen mehr und mehr Verlag aus anderen Ländern, besonders aus Italien und Frankreich, in die Welt der „German Games“ vor. Waren vor einigen Jahren die deutschen Verlage das Nonplusultra, setzen immer mehr europäische Verlage unübersehbare Akzente. Entsprechend nimmt auch die Ausstellerzahl aus beiden Ländern zu. Der Sieg von Caylus (Ystari) beim Deutschen Spielepreis 2006 (siehe Zusatzbericht), ist deshalb die logische Konsequenz einer fortdauernden Entwicklung. Anspruchsvolle Spieler werden auch bei der Liste der Neuheiten dieser Messe eher auf ausländische Verlage schielen, Ausnahmen könnten Imperial von Eggert Spiele und Taluva von Hans im Glück sein. Tipps für Freaks sind ebenfalls Yspahan von Ystari, das nach langem Warten erhältliche Tempus von Pro Ludo, Gloria Mundi von Rio Grande und Maestro Leonardo von DaVinci Games.

Die deutschen Verlag setzen dagegen wieder auf familientaugliche Spiele mit Anspruch. So versprechen Salamanca von Zoch, Die Baumeister von Arkadia von Ravensburger, Die Säulen von Venedig von Goldsieber und vor allem Die Säulen der Erde von Kosmos, dem Spiel zum Roman von Ken Follett, Spielspaß für alle Spielergruppen. Fans von Die Siedler von Catan erhalten mit Kampf um Rom ein eigenständig spielbares Brettspiel von Klaus Teuber, das die bekannten Mechanismen um Eroberungen erweitert. Wie bei Kosmos mit diesem Spiel werden bei anderen Verlagen bekannte Spielemarken weiterhin gepflegt und mit neuen Themen oder Erweiterungen gestützt. Neben neuen Spielen zu Monopoly, Tabu und Cluedo bei Hasbro, gibt es bei Queen Games zum Beispiel Alhambra – Das Würfelspiel, Blokus Trigon bei Winning Moves, Kannibohne für Bohnanza-Fans bei Lookout Games oder bei Pegasus Spiele jede Menge Veröffentlichungen zum beliebten Fantasy-Spiel Munchkin sowie bei Pro Ludo Erweiterungen zu Dungeon Twister. Passend zum Jubiläum der Europäischen Union (50 Jahre) im kommenden Jahr veröffentlicht Huch and Friends das Spiel Ausgerechnet Uppsala. Dort werden nach dem System des mit dem Kritikerpreis A la Carte des Fachmagazins Fairplay ausgezeichneten Ausgerechnet Buxtehude Städte und Sehenswürdigkeiten innerhalb Europas geografisch in eine Reihe einzuordnen sein.

Ähnlich wie bei den Brettspielmarken sieht es im Sammelkartenbereich aus, bei dem für jedes System regelmäßig Neuheiten den Markt erblicken. Zusätzlich gibt es unter anderem mit Naruto bei Amigo Spiele, Avatar und World Of Warcraft bei Upper Deck neue Systeme. Besonders World Of Warcraft – Trading Card Game könnte ein Riesenerfolg werden, da in den Zusatzboostern rare Gegenstände für das gleichnamige Onlinespiel zu finden sind. Darüber hinaus verspricht die Heldenentwicklung des Spiels Abwechslung im Sammelkartenbereich.

Im Bereich der Miniaturen bietet Games Workshop mit Angriff auf den Schädelpass Neues für das Warhammer-System. Wizard Of The Coast stellte in Essen mit Dreamblade ein bereits erfolgreiches System vor und Wizkids zeigte mit HorrorClix eine neue Spielewelt auf der bekanten drehbaren Scheibe.

Im Fantasybereich sind die Rollen klar verteilt. FanPro setzt die Veröffentlichungen zu Das Schwarze Auge mit neuen Vertriebspartnern (Universal Cards) fort, Lodland wird bei Image 3033 ebenso ausgebaut wie Midgard bei Midgard Press und Cthulhu bei Pegasus Spiele. Feder und Schwert wird für Dungeons & Dragons weiterhin deutschsprachige Produkte anbieten, will zusätzlich aber verstärkt mit Romanen, insbesondere vermehrt mit systemunabhängigen Reihen, Fuß im Belletristikbereich fassen.

Zur Spiel wurde eine von Ravensburger in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studie vorgestellt. Dabei kommen das Leipziger Institut für angewandte Weiterbildung und der Lehrstuhl für Erwachsenpädagogik der Universität Leipzig zu der Erkenntnis, dass das Spiel in Familien kognitives und soziales Lernen ermöglicht. Spielerinnen und Spieler werden sagen, dass sie das schon immer gewusst haben. Eine wissenschaftliche Bestätigung ist aber beruhigend, denn die vielen Zehntausenden, die die Spiel in Essen besucht haben, werden von dem einen oder anderen als „kindisch“ angesehen. So kann die Spielewelt aber in Zukunft nicht nur begeistert und neugierig auf die Entwicklung der Spiele sehen, sondern auch mit dem guten Gefühl, beim Spielen Wissen, Logik und ganzheitliches Denken ebenso zu fördern wie Verhaltensweisen und deren Konsequenzen sowie die eigenen Möglichkeiten und Grenzen besser einschätzen zu können. Und das ist nicht auf Familien und Kinder beschränkt, sondern bezieht sich auf alle Altersgruppen. In diesem Sinne trägt die Spiel in Essen in all ihren Facetten vielleicht sogar zu einem besseren Miteinander bei.

Zusatzinfos zur Spiel ’06 in Essen

 

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