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Schinderhannes

Schinderhannes von Reich der Spiele

Eine Bemerkung vorweg: Bei Schinderhannes ist das Thema genauso aufgesetzt wie das Lächeln eines Gebrauchtwagenverkäufers. Wer also Interesse an der Historie von Johannes Bückler hat, greift besser nur zum beigelegten historischen Hintergrund oder zu den dort angegebenen Quellen. Auch ist Schinderhannes das, was uns die Autoindustrie als Facelift verkauft; annähernd die gleiche Mechanik, nur neu verkleidet. Und so ist dieses Spiel schon einmal mit einem anderen Thema vom gleichen Autor und im gleichen Verlag als Old Town erschienen. Der Gerechtigkeit halber muss aber gesagt werden, dass die Regeln leicht verbessert wurden, dass die Ausstattung nun professioneller wirkt und die Spielanleitung zugänglicher ist. Dass dagegen kurz nach Erscheinen gleich ein Errata vom Verlag veröffentlicht werden musste …

Schinderhannes ist ein anspruchsvolles Deduktionsspiel, aber nicht das klassische „Wer war’s?“ ist gefragt, sondern das buchhalterische „Wo geschah welches Verbrechen?“, sozusagen die Aktenaufarbeitung steht im Mittelpunkt. Nun denn, auch diese Arbeit muss jemand erledigen.

Nach dem erstmaligen Öffnen des ansprechend gestalteten Karton wird schnell klar, dass jedem Spiel eine umfangreiche Sortierphase vorausgeht oder man in eine Großpackung Klarsichtbeutel investieren sollte. 16 verschiedene Delikte, mit je fünf Hinweismarkern und einer Tatscheibe, und sechs verschieden Kartensorten wollen sortiert sein. Der Spielplan ist aus festem Karton und zeigt den Hunsrück mit 16 Ortschaften in vier Bezirken, durch Bäche getrennt und durch Straßen verbunden. Leider ist die Beschriftung so ausgerichtet, dass sie nur ein Mitspieler aufrecht lesen kann. Die Karten und Pappcounter machen einen guten Materialeindruck. Dass die Differenzierung innerhalb der vier, farbig unterschiedenen Delikt-Gruppen teilweise schwer fällt ist, ist der Grafik geschuldet. Insbesondere die Köpfe von Esel, Pferd und Rind ähneln sich aufgrund des naturalistischen Stils und der feinen Strichstärke so sehr, dass quer über das Brett dauernd Verwechslungen vorkommen. Auch die Auswahl der Darstellung wirkt gewollt, sodass sich schnell neue, griffige Bezeichnungen einbürgern. Die fast überflüssigen Spielfiguren zur Spielstandanzeige sind erfreulicherweise aus Holz.

Zu Beginn des Spiels werden vier verdeckte, farbig sortierte Nachziehstapel aus den Deliktkarten gebildet. Infokarten, die Ortschaften zugeordnet sind, werden in zwei etwa gleichhohen, verdeckten Talons bereit gelegt. Die Hinweismarker und Tatscheiben werden nach Delikten sortiert ausgelegt. Jeder Spieler nimmt vier Karten von beliebigen Nachziehstapeln, sowie eine "Hinweismarker entfernen"-Karte auf die Hand und schon kann das Spiel beginnen.

Gespielt wird im Uhrzeigersinn. Der aktive Spieler spielt eine Handkarte und kann dadurch neue Hinweismarker ins Spiel bringen oder bereits in den Ortschaften liegende Hinweismarker entfernen. Die fünf verschiedenen Karten haben dabei unterschiedliche Auswirkungen:  Auf Deliktkarten sind vier mögliche Orte genannt, in denen dieses Delikt stattgefunden haben soll. Sind die betreffenden Hinweismarker noch nicht im Spiel, werden sie auf die Ortschaften gelegt, die auf der Karte genannt sind. Sind bereits welche im Spiel, werden die Hinweismarker entfernt, die nicht in den auf der Karte genannten Orten liegen. Gruppenkarten zeigen die vier Delikte einer Farbe und immer zwei Bezirke, in denen eines der vier Delikte, welches beim Ausspielen festgelegt wird, stattgefunden haben soll. Sind die Hinweismarker noch nicht im Spiel, werden die Hinweismarker in die Ortschaften der genannten Bezirke gelegt. Andernfalls werden die Hinweismarker aus den Bezirken entfernt, die nicht auf der Karte genannt sind. Bezirkskarten zeigen immer zwei Delikte und dürfen nur dann gespielt werden, wenn mindestens eines der beiden Delikte im Spiel ist. Die Karte gibt an, ob die beiden Delikte in benachbarten Orten innerhalb eines Bezirkes stattgefunden haben oder in benachbarten Bezirken. Ist nur eines der beiden Delikte im Spiel, werden die Hinweismarker des Anderen ins Spiel gebracht. Sind Hinweismarker beider Delikte auf dem Plan, werden alle Hinweismarker entfernt, die nicht dem Kartentext entsprechen. Ortskarten können erst gespielt werden, wenn mindestens ein Hinweismarker auf dieser Ortschaft liegt. Angegeben sind vier mögliche Delikte, die in diesem Ort stattgefunden haben sollen. Liegen konträre Hinweismarker auf diesem Ort, werden sie entfernt. Mit der Karte "Marker entfernen" kann jeder einmal im Spiel, einen beliebigen Hinweismarker vom Spielplan nehmen. Vom Spielplan genommene oder nicht eingesetzte Hinweismarker sind die einzige Quelle für Siegpunkte.

Wird ein Delikt ins Spiel gebracht, nimmt der Spieler alle fünf Hinweismarker und legt sie der Karte entsprechend auf den Spielplan. Alle Hinweismarker, die nicht gelegt werden, bringen Punkte. Werden durch Karten Hinweismarker entfernt, zählen sie ebenfalls Punkte für den Spieler. Der letzte Hinweismarker auf dem Spielplan definiert dann die Ortschaft, in der das Delikt stattgefunden hat. Alle anderen Hinweismarker in diesem Ort werden entfernt und die Tatscheibe blockiert die Ablagefelder dieser Ortschaft. Die hohe Kunst ist dabei, dadurch ein weiteres Delikt zuzuordnen und erneut Hinweismarker einzusammeln. Sind alle Ablagen eines Ortes belegt, darf keine Karte gespielt werden, die einen weiteren Hinweismarker in diese Stadt bringen würde. Es ist auch nicht erlaubt Karten zu spielen, die mehr als fünf Hinweismarker eines Deliktes ins Spiel bringen oder alle Marker eines Delikts zu entfernen.

Nach seinem Spielzug kann der Spieler eine Karte abwerfen und zieht wieder auf eine volle Hand auf. Passt er, kann er seine Hand komplett auswechseln und zieht dann noch eine Bonuskarte nach. Nachziehkarten, die nicht mehr relevant sind, weil das Delikt schon zugeordnet wurde, können jederzeit von einem Spieler aus dem Spiel genommen werden.Sind alle Delikte zugeordnet oder können die Spieler keine Karte mehr spielen, endet das Spiel. Sieger ist der mit den meisten Punkten.

Bei diesem Spiel haben sich bei uns ein paar Konventionen als spielfördernd eingebürgert. Zum Einen lassen wir die Wertungsleiste weg. Nachdem soviel Bewegung auf dem Plan ist, sind die Spielfiguren immer in der Gefahr, verrutscht zu werden, auch bieten die Felder nicht Platz für alle Spieler. Wir behalten einfach die Hinweismarker, am Besten gegen Spielende schon vorsortiert, das erleichtert sowohl das Aufräumen als auch ggf. die Kontrolle des Ergebnisses. Das leitet sich ab aus unserer „Zug-um-Zug“-Spielpraxis. Zum Anderen darf jeder Spieler unspielbare Karten vom Nachziehstapel entfernen, nicht nur der Meister. Beides hilft auch, die Downtime, die nicht nur bei Spielern, die an Analyseparalyse leiden, gehäuft gegen Spielende auftritt, sinnvoll zu verwenden.

Als Solospiel spricht Schinderhannes wohl vor allem die Spieler an, die auch sonst Rätselaufgaben in Zeitschriften o. ä. nicht abgeneigt sind. Schinderhannes ist ansonsten kein Spiel für jedermann, eher sogar ein Nischenprodukt. Das Thema sperrt sich genauso wie bei Old Town gegen das Logik-Deduktions-Spielprinzip, sodass sich die Frage stellt, ob nicht Abstraktion hier der Königsweg gewesen wäre. Die Mechanismen jedoch gehören in dieser Sparte zum oberen Ende; jeder, der sich vom Thema löst und Freude an dem Spielprinzip an sich hat, wird mit Schinderhannes viel Spaß haben können. Allen Anderen gilt der wohlgemeinte Rat: ausprobieren, probespielen! Insgesamt ein Spiel wie ein Unimog, durchdacht, funktionabel, aber auch sperrig, gewöhnungsbedürftig und beileibe nicht für jedermann.

 

Infos zu Schinderhannes

  • Titel: Schinderhannes
  • Verlag: Clicker Spiele
  • Autor: Stephan Riedel
  • Spieleranzahl (von bis): 1 - 4
  • Alter (ab oder von bis in Jahren): 9
  • Jahrgang: 2009

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